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Zieh dein rechtes Knie nach vorne zwischen die Hände und leg es ab für die Taube.“ – ich liege da, spüre die Spannung in meiner Hüfte. Sofort schießen mir die Tränen in die Augen. Was ich fühle, ist kein physischer Schmerz, sondern emotionaler. In fast jeder Yogastunde muss ich weinen, spätestens bei Übungen, die die Hüfte öffnen. Mehr als einmal habe ich mir die Frage gestellt, warum ich Yoga mache, wenn ich jedes Mal diejenige bin, die ab der Hälfte der Klasse weint.
Auch wenn es schwierig war und Überwindung kostete, hatte ich schon damals so ein Bauchgefühl, dass Yoga und Achtsamkeit wichtige Wegbegleiter für mich sind, wenn ich den Weg zurück zu mir finden und meine emotionalen und seelischen Verletzungen heilen will.
Wie meine Liebe zum Yoga angefangen hat
Zu Beginn meiner Yoga- und Achtsamkeitsreise war ich nicht annähernd die Person, die ich heute bin. Anfang 20 war ich eher schüchtern und orientierte mich oft an anderen. Nach einem traumatischen Erlebnis, hatte ich keinerlei Selbstvertrauen mehr. Im Grunde hatte ich auch den Großteil meiner Lebensfreude verloren. Ich stellte mir die Frage, ob ich so überhaupt weiterleben will. Je länger ich mich mit dieser Frage beschäftigte, desto klarer wurde mir, dass ich nicht bereit war, einem einzelnen Erlebnis so viel Macht über mich zu geben. Ich entschied mich bewusst dafür, mich meinen Ängsten zu stellen und an mir zu arbeiten. Zwei Mal die Woche ging ich zu einer Therapeutin. Mit ihrer Hilfe wollte ich meine Ängste, Traumata und stressbedingten Essstörungen irgendwie in den Griff zu bekommen. Neben Arbeit und Therapie war da nicht mehr viel los in meinem Leben. Meine Familie und Freunde waren für mich eine riesige Stütze. Viel schwieriger war es, wieder mit mir selbst zurecht zu kommen. Eigenständig und unabhängig von anderen Personen Entscheidungen zu treffen und auch mal etwas allein zu machen. Hobbies wie Laufengehen waren für mich damals unvorstellbar. Meine Angst allein draußen war viel zu groß. Auch ins Fitnessstudio wollte ich nicht gehen. Viel zu viele fremde Menschen. Deshalb ging ich damals zweimal die Woche zum Yoga. In das Studio, in das ich immer ging, zu der Lehrerin, bei der ich immer war. Dort traf ich fast jedesmal dieselben Personen. Diese Routine und Stabilität sorgte dafür, dass ich mich im Yogastudio sicher fühlte. Hier waren alle auf meiner Wellenlänge und alles war gut. Bis ich dann mitten in der Klasse allein war auf meiner Matte und mir die Tränen nur so runter kullerten. Am Anfang hat es mir Angst gemacht, auf der Yogamatte meinen eigenen Emotionen scheinbar hilflos ausgeliefert zu sein. Alles, was mich davon abgehalten hat, einfach aufzustehen und zu gehen, war, dass mir das echt peinlich gewesen wäre. Gegen Ende der Stunde kam ich wieder zur Ruhe und es hat sich auch ein bisschen so angefühlt, als wäre ein Teil der Last, die ich mit mir herumtrug, gemeinsam mit meinen Tränen auf die Matte gekullert. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass ich gar nicht so hilflos war, wie ich glaubte zu sein. Ich war sehr wohl in der Lage, Yogastunde für Yogastunde und Taube für Taube einen kleinen Teil meines Schmerzes anzuschauen, ihn zu fühlen und manchmal sogar loszulassen.
Etwa ein Jahr ging das so – Arbeit, Studium, Therapie und Yoga, Yoga, noch mehr Yoga. Erst wurde ich wurde selbstbewusster und lernte mit meinen Ängsten umzugehen. Dann kam ich langsam wieder im Leben an. Zeitgleich beendete ich mein Studium und meldete mich zu meinem ersten (natürlich nicht letzten ;)) Yoga Teacher Training an. Für mich war es damals ein großer Schritt zum ersten Mal wieder alleine zu reisen für 2 Wochen Yoga Training in Berlin. Glücklicherweise kannte ich bereits einige der anderen Teilnehmerinnen, so war das Training nicht ganz so fremd und neu für mich. Mit der Intention, mehr über mich zu lernen und mich zwei Wochen intensiv mit Yoga zu befassen, meldete ich mich zu diesem Yoga Teacher Training an. Dass ich nur wenige Wochen nach diesem Training schon selbst unterrichten würde, war für mich zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellbar.
Am Rand meiner Komfortzone – mein erstes Yoga Teacher Training
Bis zu diesem Punkt war Yoga für mich mehr etwas, das mir passiert ist. In den Stunden, die ich besuchte, war ich quasi Mitfahrerin und ließ mich von A nach B bringen. Das änderte sich mit dem Training nun drastisch. In den zwei Wochen wurde ich aus meiner bequemen Mitfahrgelegenheit rausgeschmissen und in mein eigenes Fahrzeug gesetzt. Ich hatte jede Menge neues Yoga- und Meditationswissen im Gepäck und war bereit, selbst das Steuer zu übernehmen. Ich begann nahezu täglich Yoga zu machen und zu meditieren. An manchen Tagen sah das lehrbuchmäßig aus, an anderen eher wie ein Kind, das auf dem Boden hin und her rollt. An manchen Tagen lag ich einfach wieder auf meiner Matte und weinte.
All das war wichtig und hat mich Stück für Stück dazu gebracht, mich wieder besser zu fühlen in meinem eigenen Körper. Durch Armbalancen und andere schwierige Haltungen habe ich gelernt, dass ich meinem Körper vertrauen darf, er hält und trägt mich in jeder Situation. Nicht nur mein Körper wurde beweglicher und stärker, auch mental und emotional wurde ich stärker. Vor allem im Umgang mit meinen Emotionen wurde ich komfortabler. Ich lernte, dass es in Ordnung ist, unangenehme Gefühle zu haben, Wut, Angst und Traurigkeit zu fühlen, und dass der einzige Weg raus meistens mitten durch führt. Der Pfad zwischen Gefühle ignorieren und von Gefühlen überwältigt sein ist manchmal ganz schön schmal. Mit der Zeit gelang es mir immer besser auf meine Intuition zu hören. Ich spürte, wann der richtige Zeitpunkt zu handeln ist und was ich gerade brauche.
Sharing is Caring – mein Weg zum Yoga und Mindfulness Coach
Fast fünf Jahre ist mein erstes Teacher Training her. Vor ein paar Wochen habe ich meine dritte umfangreichere Yogaausbildung abgeschlossen. In Therapie bin ich nun seit knapp vier Jahren nicht mehr. Meine Ängste melden sich zwar ab und zu noch zu Wort, damit kann ich mittlerweile aber selbst ganz gut umgehen. Das Wichtigste für mich: Ich habe meine Lebensfreude wieder gefunden! Darüber hinaus habe ich gelernt, mehr im Moment zu leben und alles aufzusaugen, was das Leben an Abenteuern und Magie für mich bereithält.
Motiviert durch meine eigenen Erlebnisse, habe mich in den vergangenen Jahren intensiv mit Yoga und Mindfulness beschäftigt. Ich habe zahlreiche Studien gelesen und sogar selbst zum Thema Mindful Leadership geforscht. Ich war fasziniert von den Studienergebnissen, die besagen, dass regelmäßige Meditation sogar die Gehirnstruktur verändern kann. Alles was ich in den vergangenen Jahren gelernt und ausprobiert habe, habe ich für mich getan, weil es mir geholfen hat. Angefangen bei mir selbst und bei meiner Meditationspraxis, über die Yogastunden, die ich besuche und unterrichte, bis hin zu meinem Team, das ich bis vor kurzem führen durfte, merke ich, das Mindfulness diese Effekte nicht nur für mich, sondern für auch für andere Menschen hat (was die Studien auch zeigen). Es ist mein Herzensprojekt, all das, was ich für mich gelernt habe, als Yogalehrerin und Mindfulness Coach, zu teilen und weiterzugeben.
In der Masterclass „Mindful Leadership” erfährst du mehr darüber, wie du Mindfulness auch in deinen Alltag integrieren kannst. Ich teile einige meiner liebsten Achtsamkeitsübungen mit dir und erkläre, warum ich der Meinung bin, dass Mindful Leadership für uns alle ein wichtiges und hilfreiches Tool ist – ganz unabhängig davon in welcher Position oder Lebenssituation du gerade steckst. Du musst nicht in einer Führungsposition sein und eigentlich noch nicht mal arbeiten, um von den Prinzipien zu profitieren. Ich freue mich, dich in der Masterclass zu sehen!
An dieser Stelle möchte ich einmal betonen, dass Therapie auf meinem Weg ein elementarer Baustein war und Yoga und Meditation vermutlich auch nur deshalb einen solchen Effekt hatten, weil sie die Arbeit meiner Therapeutin unterstützt und ergänzt haben. Wenn du selbst mit etwas zu kämpfen hast und glaubst, dass dir eine Therapie dabei helfen kann, dann nutze Yoga nicht als Ersatz dafür, sondern als Unterstützung.
Text: Linda Wurster
Linda Wurster
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Mindfulness Leadership
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