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“Wer zwischen Seele und Körper einen Unterschied sieht, besitzt keines von beiden “ – Oscar Wilde
Wie geht es mir? Wie höre ich zu? Wie spreche ich? – sind Fragen, die wir in jeder Beziehung stellen sollten. Und diese Beziehung darf gerne mit dem eigenen Körper beginnen. Im Hier und Jetzt. Und am besten immer wieder als kleiner Self Check-In.
Meine eigene Erfahrung von Yoga und Breathwork hat mir mit der Zeit gezeigt, dass es nie wirklich darum ging, Erleuchtung zu erfahren und eine flexible Super-Yogi zu werden, sondern darum, meine Beziehungen zu beleuchten – zu mir selbst, zur universellen Kraft, zur Liebe und zum gesamten Leben. Alles andere ist ein Plus.
Was Bewusstsein und Körper miteinander zu tun haben, erklärt die klassische Spiritualität, dass wir mehr sind als der Körper, dass wir Bewusstsein (“unity consciousness”) sind und sich dieses Bewusstsein in unserem Körper erfahrbar machen lässt, und wir damit lernen, dass unser Körper (und im Prinzip alles Materielle) ein Geschenk und ein Zuhause zugleich für uns und unser Leben ist.
Find what feels good. (Adriene Mishler – bekannte US Yogalehrerin)
Ich lege mich auf den Rücken. Lass sanfte Musik auf den Kopfhörern spielen. Meine Hand liegt auf meinem Bauch. Ich nehme ein paar tiefe Atemzüge, schließe die Augen und spüre, wie mein Körper nach und nach seine Schale loslässt – zulässt, dass genussvolle Weichheit zurückkommt. Meine Wirbelsäule beginnt sich wie von selbst rhythmisch zur Musik und schlangenartig zum Atem zu bewegen. Ich atme in die Stellen, die angespannt sind.
Wusch, Emotionen kommen hoch, ein alter Schmerz, ich lasse ein paar Tränen los, ein Seufzen und ich treffe mich selbst im Herzen wieder. Ein Gefühl und eine Stimme von Zuhause – die mir sagt. “Umarme dich, sei gut zu dir heute und jeden Tag.”
Zurück auf den Beinen und nach einer kurzen Dusche, sehen meine Augen im Spiegel noch etwas glasig aus, ich lächle mich an und fühle mich kindlich, gleichzeitig erwachsen. Ich sehe ein paar Falten um meine Augen, fühle mich vertraut. Ich mag diesen Blick.
Was immer wieder ein Ritual der Selbstbegegnung meiner Verletzlichkeit und meiner inneren Wunden und aktuellen Emotionen ist, ist gleichzeitig auch der Weg einer wachsenden Reife mit mir selbst. Ohne meine Bedürfnisse outsourcen zu müssen, schaffe ich es, mich von innen heraus zu lieben und mit Leben zu füllen. Durch meine innere Erfahrung baue ich ein Vertrauen auf, dass meine Gefühle von Geborgenheit, Sicherheit und Liebe auch im Außen möglich sind.
Ich fühle mich nicht abhängig davon, dass mein Leben oder meine zwischenmenschliche Beziehungen meine Wünsche und Bedürfnisse von meinem Gesicht ablesen und erfüllen müssen, sondern fühle mich bestärkt, meinen aktuell tiefen Wünschen mehr Raum zu geben und ihnen ohne Angst, aber mit Neugierde wieder neu zu begegnen.
Atemreisen sind wie ein somatischer Ausflug zu versteckten inneren Träumen.
Sie geben Raum für das, was vielleicht in der Gesellschaft oder durch eigene Konditionen und Grenzen, abgespalten wurde. Man kann sie auch die kleine Welt der großen Gefühle bezeichnen. Kinder zum Beispiel tragen diese Welt ganz intuitiv bei sich. Eine Fantasiewelt, die bunt ist, voller Träume, Wünsche und Sehnsüchte.
Wenn wir älter werden, wird diese Welt oftmals kleiner. Jedoch gibt es immer einen Schlüssel zurück in die Ebene der Grenzenlosigkeit.
Breathwork ist so ein Schlüssel, der aus meiner Erfahrung viele solcher Türen wieder aufgebrochen hat. Ein Schlüssel, der mir erlaubt, über Körper und Atem, zurück in meine Freiheit zu finden, in der ich spüre, dass all das, was ich fühle, legitim und wertvoll ist, gehört, gesehen, bewegt und ausgedrückt werden darf.
Der Mix aus fließenden rhythmischen Bewegungen ist wie ein wiederkehrendes Muster und gibt bei der Praxis vor allem dem Kopf ein Gefühl von Geborgenheit, sodass die Gedanken, die Sicherheit anstreben, pausieren. Denn erst wenn der (bewertende) Kopf abschaltet, können wir eigentlich erfahren, wer wir sonst noch sind.
Der Atem ist wie ein Kompass für unsere Emotionen. Im kontinuierlichen Fluss des Atmens werden Emotionen, die nicht zu Ende gefühlt wurden, hochgespült, gefühlt und somit freigesetzt. Emotionen sind im Körper gespeichert. Und somit fühlt sich der Körper nach einer Atemstunde freier und Blockaden und Schmerzen lösen sich.
Eine Welt der Freiheit kann genauso aussehen:
In der wir Emotionen nicht mehr unterdrücken, sondern beatmen, fühlen und bewegen. Unsere Körper bewegen zum Takt der Melodie, die wir schon immer in uns getragen haben. Sauerstoff in unsere innersten Träume fließen lassen und unseren Schmerzen Raum geben. Schatten mit Empathie begegnen. Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft.
Ein Nervensystem aufbauen, das uns mit einem neuen, gesunden Verständnis für Selbstliebe, Dankbarkeit und Hingabe versorgt.
Alles darf da sein. – Du, dein altes du, dein jetziges du, dein neues Du.
Wie fühlt sich das an?
Kleine Bauchatmung für den Alltag:
Egal wo du bist (geht sogar im Auto), lege eine Hand auf deinen unteren Bauch und beobachte, wie sich der Bauch mit der Einatmung hebt und mit jeder Ausatmung senkt.
Atme durch die Nase tief in den unteren Bauch für 1- 2 – 3 – 4 Sekunden (stell dir vor du dehnst den Bauch sanft nach außen) und mit der Ausatmung zieh den Bauch wieder langsam zurück zur Wirbelsäule für 1 – 2 – 3 – 4.
Atme ein tief nach unten und stell die vor dein Bauch wird groß wie ein Ballon für 1- 2 – 3 – 4. (welche Farbe hat dieser Ballon?) Entspannt atme aus 1- 2 – 3 – 4. Lass dir Zeit. Wir haben Zeit. Lege nun deine Hand auf den mittleren Bauch deinen Nabel. Atme in die Mitte (dein inneres Sonnen System) ein für 1- 2 – 3 – 4 (lass es nach außen strahlen) und atme aus für 1 -2 – 3 – 4. Widerhole EIN für 2 – 3 – 4 (Welche Art von Wärme spürst du?) Atme entspannt aus für 1 – 2 – 3 – 4 – erlaube dir diese Wärme selbst aufzusaugen.
Lege deine Hand nun auf den oberen Bauch und atme ein für 1 – 2 – 3 – 4 (was kannst du wahrnehmen?) Sanft aus für 1- 2 – 3 – 4. Ein letztes mal ein dehne den Bauch in eine genussvolle Öffnung 1- 2 – 3 – 4 und ziehe zurück, nimm dir Zeit 2 – 3 – 4.
Fahre damit fort für 2-3 Minuten. Notiere. Wie fühlst du dich? Was möchtest du in deinem Leben mehr Raum geben? Wo möchtest du gerne mehr gesehen und gehört werden? Beide Hände zusammen oder auf dein Herz.
Fühle das Geschenk der Selbstliebe, Dankbarkeit und Verbundenheit.
Text: Franziska Hermann
Franziska Hermann
Instagram:
@franzishermann
Masterclass:
Die Atemreise – entdecke Breathwork
Publikation:
Frauenzimmer – Was ich dir sagen will
Podcast:
Sunday Talks – Folge 4